von Heinz Gustafsson, Aschenbeck & Holstein Verlag, Delmenhorst / Berlin 2003, ISBN 3-932292-40-5
Am 23. Oktober 1979 wies Wolff Geisler (geb. 1941), Experte in der Kenntnis um die militärische Unterstützung des Kaplandes durch die Bundesrepublik, mit dem Thema ‚Bundesrepublik Deutschland und Südafrika: Militärisch-nukleare Partner?‘ auf folgende Gegebenheiten hin:
»Südafrika ist das einzige Land der Welt, in dem Rassismus in der Gesetzgebung verankert ist. Südafrika ist das Land in Afrika, das die besten wirtschaftlichen Voraussetzungen für seine Bewohner bietet. Es hat die größten Bodenschätze, es hat besonders günstige klimatische und für die Landwirtschaft geeignete Bedingungen.
Trotzdem ist – und das muss laut gesagt werden – das Pro-Kopf-Einkommen der dunkelhäutigen Bevölkerung in Südafrika nicht, wie die Befürworter des Rassismus hier in der Bundesrepublik und in anderen Staaten behaupten, an erster, sondern an neunter Stelle in Afrika. Ich kann Ihnen Dokumente der südafrikanischen Regierung vorlegen, in der sie selber sagen, es gibt mindestens fünf Staaten in Afrika, in Schwarzafrika, in denen das Pro-Kopf-Einkommen der dunkelhäutigen Bevölkerung höher ist. Das heißt also, Apartheid bedeutet nicht, wie man uns hier weismachen will, daß sich diese Unterdrückung letzten Endes auch zum Wohle der Unterdrückung auswirkt. Das ist dummes Zeug. Apartheid bedeutet, wie gesagt, eine Verringerung des Pro-Kopf-Einkommens der Ausgebeuteten, es bedeutet, dass die Säuglingssterblichkeit in Südafrika trotz der besseren wirtschaftlichen Voraussetzungen an elfter Stelle in Afrika kommt.
Man kann nachweisen, daß durch die Apartheid-Gesetzgebung jedes Jahr 7.000 Kinder in Südafrika ermordet werden. Ermordet werden, denn daran sind die Gesetze in Südafrika schuld. Und es bedeutet, dass die Müttersterblichkeit in Südafrika an vierzehnter Stelle in Afrika kommt, also erst an vierzehnt-günstigster Position.
Es wird dann sicherlich eingewendet werden, wie das von den Vertretern der südafrikanischen Regierung, der Botschaft hier, geschieht: ‚Woher wollen Sie denn das wissen, es gibt doch gar keine Statistik?‘
Ja, das ist interessant, es gibt tatsächlich in diesem Industrieland Südafrika keine Statistik über die gesundheitlichen Verhältnisse. Aber der Nachweis ist zu führen, es gibt Experten, es gibt dort arbeitende Missionare, es gibt Statistiken, die von anerkannten Wissenschaftlern aufgestellt worden sind, aus denen abzulesen ist, dass sich die gesundheitlichen Verhältnisse in Südafrika derartig katastrophal für die Unterdrückten auswirken.
Nun, was haben wir mit diesem Land zu tun? Die Bundesrepublik ist der größte Handelspartner Südafrikas, der größte Lieferant für diesen Staat. Die Bundesrepublik ist größter Kreditgeber für diesen Staat. Die Bundesrepublik war noch im letzten Jahr der größte Bezieher von Goldmünzen, sogenannten ‚Krüger-Rands‘ aus Südafrika. Inzwischen dürften die USA aufgeholt haben, aber immerhin, auch da hatten wir einen einsamen Rekord. Die bundesdeutschen Investitionen in Südafrika betrugen 1977 nach Aussagen des südafrikanischen Botschafters 12 Milliarden DM. Die Bundesregierung gibt die Investitionen in Südafrika mit 648 Millionen DM, also etwa einem Zwanzigstel davon, an. Sie rechnet nämlich die Reininvestitionen und die Investitionen, die über die Schweiz und Kanada und andere Zwischenländer gemacht worden sind, nicht dazu. Aus gutem Grund.
Wie kommen die Beziehungen zustande? Es ist nicht freier Wettbewerb, es ist nicht mehr normaler Fluss des Kapitals nach dem Motto ’na ja, man kann verdienen, der Rassismus ist uns egal‘, sondern diese Beziehungen werden gefördert.
Die Handelsbeziehungen dadurch, dass die staatlichen Exportgarantien für Lieferungen nach Südafrika – kein Kaufmann hier würde sich auf das Spiel, auf das verlorene Spiel des Rassismus noch einlassen – von 1976 bis Ende 1977 von 0,6 auf 3,8 Milliarden gestiegen sind. Im letzten Jahr sind mindestens weitere 300 Millionen dazugekommen. Das heißt also, die Bundesregierung bürgt für die Zahlungsfähigkeit des Apartheidstaates. Sie hat ein Interesse daran, dass diese Zahlungsfähigkeit, sprich die Verhältnisse in Südafrika, erhalten bleiben. Denn wenn diese Zahlungsfähigkeit zum Teufel geht, steht der Steuerzahler dafür gerade.
Mit der staatlichen Finanzierung von Messen in Südafrika werden diese Wirtschaftsbeziehungen weiterhin angeregt. Und es gibt sogar subventionsbegünstigte staatliche Exportkredite für Südafrika, nämlich für den Verkauf von Airbussen, von denen gerade jüngst wieder einer geordert wurde, der zum Teil auch hier in Bremen gefertigt wird.
Und, was wir noch haben, um die Investitionstätigkeit in diesem Land des Rassismus anzuregen, ist ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesregierung und Pretoria, das seit 1975 in Kraft gesetzt wurde.
Dieses Abkommen bedeutet, dass die Bundesregierung auf die Erzielung bzw. auf die Einnahme von Steuern aus der Tätigkeit hiesiger Firmen im Apartheidsstaat verzichtet und sie den Unternehmern schenkt. Das bezahlen wir Steuerzahler. Und dieses Abkommen ist, zusätzlich zu dem Skandal, dass es überhaupt abgeschlossen wurde – es gibt in ganz Afrika nur noch mit den vier Staaten Ägypten, Tunesien, Marokko und Sambia so ein Abkommen, sonst mit keinem anderen Staat in Afrika – sogar rückwirkend für zehn Jahre abgeschlossen worden. Das heißt, den Unternehmern, die in Südafrika investiert haben, sind anschließend Milliarden angesichts der investierten Summen in den Rachen geschoben worden. Ihre Tätigkeit in diesem Staat ist damit gutgeheißen worden. Das ist beinahe unvorstellbar, aber diese Sachen sind in den entsprechenden Bundesgesetzblättern jederzeit nachzulesen.
Die Bundesrepublik unterhält als einziger Staat mit diesem Lande des Rassismus ein Kulturabkommen. ‚Kultur‘!
Die Bundesrepublik war der letzte Staat, der ein Konsulat in Windhoek, das heißt also im völkerrechtswidrig besetzten Namibia, unterhalten und es erst vor kurzem geschlossen hat. Aber die Tätigkeit besteht weiter. Und der wahren legitimierten Vertreterin des namibischen Volkes, der SWAPO, hat die Bundesregierung nichts bezüglich der Schließung des Konsulats offiziell mitgeteilt.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen, dieser Andeutungen der unglaublichen, geschmacklosen – man muss zu solchen moralischen Begriffen greifen – Beziehungen mutet es dann nicht mehr so ganz unverständlich an, ist es nicht mehr so ganz unglaublich, dass es tatsächlich militärische, ja sogar nukleare Beziehungen mit diesem Staat gibt.
Die Bundesregierung leugnet – natürlich – aus gutem Grund, dass es militärische, nukleare Beziehungen gibt. Wir hatten vor einem Jahr, im November, einen Kongress über diese nuklearen Beziehungen Bundesrepublik – Südafrika. Und kurz vor diesem Kongress hat die Bundesregierung die Broschüre ‚Zur Sache – Widerlegung der Vorwürfe einer angeblichen nuklearen und militärischen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Südafrika‘ verbreitet. Darin bezieht sie sich lediglich auf Aussagen der Firmen. Es ist
eine im Grunde uninteressante Broschüre. ich kann Ihnen sagen, in New York, bei der UN0 habe ich erfreulicherweise erfahren, dass diese Broschüre vielen sich mit dieser Thematik beschäftigenden Regierungen die Augen geöffnet hat. Denn die Art und Weise, wie hier argumentiert wird, hat diesen klar gemacht, dass die Bundesregierung keine Argumente besitzt.
Diese Broschüre wurde am 5. Dezember 1978 zum zweiten Mal aufgelegt. Am 4. Dezember, also einen Tag vorher, hat ‚Die Welt‘, die ja nicht gerade im Verdacht steht, die Überwindung des Apartheid-Regimes zu betreiben, einen Geheimbericht des Chefs des Bundesnachrichtendienstes, General Wessel, an die Bundesrepublik veröffentlicht, in dem General Wessel von ‚bedeutenderen Geschäften, Lieferung von Waffen und militärischen Gütern aus Bundeswehrbeständen nach Südafrika‘ unter Einschaltung des Bundesnachrichtendienstes berichtete.
Die Bundesregierung behauptet in dieser Broschüre, wer sagt, es gäbe eine nukleare, militärische Zusammenarbeit, der betreibe das Geschäft der Sowjetunion in Afrika. General Wessel betreibt also das Geschäft der Sowjetunion in Afrika. Mit derartigen Argumenten wagt die Bundesregierung der Öffentlichkeit gegenüber aufzutreten. Es gibt also Lieferungen von militärischem Material. Wenn wir mit Bremen anfangen, weil wir hier in Bremen sind: Die Firma ‚Vereinigte Flugtechnische Werke Fokker‘ hat nach Südafrika angeblich neun – das sagt man ganz offen – in Wirklichkeit aber zwanzig Transall-Transportmilitärflugzeuge geliefert. Dieses Geschäft wurde, wie in dem Geschäftsbericht der Firma zu lesen ist, über Frankreich abgewickelt. Es gibt weiterhin hier in Bremen z.B. die Firma Krupp-Atlas-Elektronik. Diese Firma liefert Radar-Sonar-Geräte für vier Korvetten, die für Südafrika gebaut und 1977 übergeben worden sind. Sie liefert ebenfalls Navigationsgeräte für vier Raketenschnellboote, die erst 1978 nach Südafrika geliefert worden sind. Diese Boote sind zum Teil in Israel, in Haifa, zum Teil in Durban/Südafrika fertiggestellt worden. Diese Boote werden mit speziellen Schiffsmotoren der Firma MTU in Friedrichshafen ausgerüstet. Die Entwürfe für diese Boote kommen von der Firma Lürssen in Bremen. Die Boote haben exakt die Abmessungen der Exportvariante des Schnellbootes S-143 der Bundesmarine.
Die Firma VFW Fokker hat, wie gesagt, jetzt neuestens bekannt gegeben – innerhalb des Airbus-Konsortiums – dass ein weiterer Airbus nach Südafrika geliefert wird. Die bisher gelieferten vier Airbusse waren ein Modell, das auf Betreiben der Bundesregierung mit einer speziellen Auftankvorrichtung für das Auftanken von Düsenjägern in der Luft ausgerüstet worden sind. Eine derartige Version ist laut Kriegswaffenkontrollgesetz eine Waffe. Und derartige Flugzeuge sind also im Auftrage der Bundesregierung entwickelt und die Vorrichtungen dafür mit diesen sogenannten Zivilflugzeugen nach Südafrika geliefert worden.
Inzwischen ist, wie gesagt, ein neuer Airbus bestellt worden. Und selbst wenn dieser neu bestellte Airbus nicht diese Auftankvorrichtung und die Möglichkeit zum Transport von Verwundeten – innerhalb von 20 Minuten kann das Flugzeug von der Zivilversion für den Verwundetentransport umgerüstet werden – besitzt, selbst wenn das Flugzeug ein reines Passagierflugzeug ist, besitzt es natürlich weiterhin eine erhebliche Einsatzfähigkeit für den Transport von Truppen. Als Beweis dafür, wie so eine Maschine angesehen wird, sei erwähnt, dass die US-Regierung 1976 den Verkauf von Boeing-Flugzeugen an Angola, die in ihrer Transportkapazität genau diesen Airbussen entsprechen, verhindert hat, obwohl diese Flugzeuge bereits bezahlt waren. Auch im letzten Jahr, 1978, verhinderte sie die Auslieferung von derartigen Großraumtransportflugzeugen an Libyen, das ebenfalls diese Flugzeuge bereits bezahlt hatte. Das kommt also von Bremen.
Ich kann Ihnen jede Menge weitere Beispiele wie Militärelektronik, Aufbau eines Radarüberwachungssystems, Lieferungen von Militärtransportern, Unimog-Fahrzeugen, von Kriegsgerät zu Wasser, zu Land und in der Luft, die aus der Bundesrepublik nach Südafrika geliefert worden sind und geliefert werden, nennen.
Der Aktualität halber: Was ist geschehen, seit die Vereinten Nationen, der Weltsicherheitsrat, im November 1977 ein Waffenembargo verhängten?
Natürlich: seitdem nichts mehr offiziell. Tatsache ist, dass diese Raketenschnellboote – Entwürfe aus Bremen – zumindest mit Schiffsmotoren, Spezialschiffsmotoren, die aus unmagnetischen Materialien hergestellt werden, ausgerüstet wurden und das diese Schiffsmotoren von der Firma MTU in Friedrichshafen geliefert worden sind.
Weiterhin liefert die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz in Ulm unter der Bezeichnung ‚Projekt Schwalbe‘ seit 1978 und zur Zeit speziell für militärische Zwecke ausgerüstete Fahrzeuge nach Südafrika.
Die Firma Globus-Reederei in Hamburg hat in den Jahren 1977, 1978 und noch 1979 auf einem Schiff, der ‚Tuegaland‘, Waffen aus Kanada, aus Spanien, Waffen, die zum Teil aus amerikanischen, zum Teil sogar aus indischen Beständen kamen, nach Südafrika transportiert.
Der Transport derartiger Kriegsmaterialien ist genehmigungspflichtig. Wir haben bei der Staatsanwaltschaft dagegen Strafanzeige gestellt. Da behauptet die Staatsanwaltschaft das Schiff sei an eine südafrikanische Rederei verchartert. Daraufhin argumentierten wir, laut Gesetz ist, wenn das Schiff die Bundesflagge führt, der Transport genehmigungspflichtig, muss von der Bundesregierung genehmigt werden. Daraufhin antwortete dann im nächsten Schreiben die Staatsanwaltschaft in Hamburg, sie weigere sich weiterhin, ein Verfahren gegen diese Reederei zu eröffnen. Sie erklärte, der Reeder bzw. der Kapitän hätten nicht gewusst, was für Materialien da transportiert würden. Es ist nachweisbar, – Sie können den Film bei BBC London Panorama sehen – dass beim Zwischentransport in Antigua ein Container mit Gewehren und mit speziellen Artilleriegeschossen aufgegangen ist, und diese Waffen herausgefallen sind. Da gibt es Aussagen von Dockarbeitern dort. Und der Staatsanwalt in Hamburg behauptet, der Kapitän bzw. die Reederei könnten für diese Geschichte nicht belangt werden. Sie eröffneten erst gar kein Verfahren, weil der Kapitän ja nichts gewusst hat. Sie haben also blinde Kapitäne.
Man bemüht sich, dieses Waffenembargo,das sich immer schwerer umgehen lässt, weil ja nun langsam einige Leute aufpassen, dadurch zu umgehen, indem man jetzt in Südafrika speziell neue große Waffenfabriken baut. Es gibt jede Menge. Ich kann Ihnen 80 Firmen aus der Bundesrepublik nennen, die in Südafrika Niederlassungen unterhalten, in denen militärisches Material produziert wird. Es werden jetzt aber im großen Umfang neue Fabriken gebaut.
Volkswagen produziert im Werk Uitenhage Jeeps. Zitat ‚Blick in die Wirtschaft‘, Wirtschaftsteil der FAZ vom 17. Juli 1976. Die Firma Daimler Benz ist dabei, gemeinsam mit der Firma MAN ein Werk in der Nähe von Kapstadt, bei Atlantis, zu errichten, in dem Motoren gebaut werden. Diese beiden Firmen sind zusammen in der Bundesrepublik in dem Werk Motoren-Turbinen-Union MTU vereinigt,
das sämtliche Motoren für die Kriegsmarine der Bundesrepublik und sämtliche Panzermotoren produziert. Diese Firmen bauen jetzt in Südafrika ein Werk auf.
Preisfrage: Was wird dort produziert?
Die Produktion von normalen Lastwagenmotoren in Südafrika ist völlig unwirtschaftlich. Sie können die Berichte in der südafrikanischen Wirtschaftspresse lesen: Die Produktion von derartigen Lastwagenmotoren kommt dort nicht in Frage.
Und zur selben Zeit errichtet die Firma Zahnradfabrik Friedrichshafen, die bei der Produktion der erwähnten Panzermotoren beteiligt ist, ebenfalls in Südafrika ein Getriebewerk. Wir haben also bald die Produktion der Materialien, die man aus der Bundesrepublik nicht nach Südafrika transportieren kann, in Südafrika selbst.
Zur Frage, wie das Waffenembargo eingehalten wird, wie ernst es denjenigen, die die Fäden hier in diesem Lande in den Händen halten und derartige Entscheidungen fällen können, mit Beschlüssen des Weltsicherheitsrates ist: Die Bundesrepublik hat ausdrücklich erklärt, dass Lieferungen für das Projekt ‚Advokat‘ – dieses Radarüberwachungssystem, das ganz Südafrika mit einem Radarschirm umgibt und so die Überwachung des See-und Luftraumes ermöglicht -, dass Lieferungen für dieses Projekt nicht als Lieferungen von Militärgütern einzustufen sind. Der Export dieser Materialien ist zwar genehmigungspflichtig, wie uns die Staatsanwaltschaft, bei der wir Strafanzeige gestellt haben, mitgeteilt hat, und die Genehmigungen sind auch von der Bundesrepublik gegeben worden, denn das sind Waren – laut Gesetz – ‚Waren von strategischer Bedeutung‘. Aber laut Bundesregierung sind das alles keine militärischen Lieferungen, sie können also fortgehen.
Die US-Regierung ist auf dem Gebiet sogar ein klein wenig weiter, indem sie heute offiziell Lieferungen von Militärelektronik an die südafrikanischen Streitkräfte nicht mehr zulässt.
Die Bundesregierung tut es weiter.
Der allerdickste Hammer aber ist die Lieferung von technischen Prozessen und den dazugehörigen Maschinen zur Herstellung von nuklearem Spaltmaterial in Südafrika.
Das, was ich bisher gesagt habe, und das, was ich jetzt sage, wäre dann, wenn es nicht stimmen würde, eine Möglichkeit, mir gerichtlich zu Leibe zu rücken.
Ich habe eine ganze Menge Verfahren über mich ergehen lassen müssen. Es wurde ermittelt wegen ‚Beleidigung von Vorster‘, ‚Beleidigung von Bundeskanzler Schmidt‘, ‚Beleidigung des Apartheid-Regimes‘. Auch vor kurzem, weil wir ein Schild auf einer Demonstration zeigten:
‚Mörder von Soweto – Verbündete der NATO‘.
‚Mörder von Soweto‘ ist also eine Beleidigung, deswegen läuft zur Zeit ein Verfahren gegen mich, weil ich ein Sprengstoffattentat gegen die Firma verübt hätte und dergleichen Geschichten.
Aber zur Sache selber: Was die Aussage der Anti-Apartheid-Bewegung, der ich angehöre und in deren Namen ich diese Sachen im Allgemeinen vortrage, was den Inhalt dieser Aussage betrifft, so hat es zu dieser Sache bisher kein Verfahren gegeben, Sie mögen daraus ermessen, auf welchen Füssen die Gegenseite, die behauptet, es gibt keine militärische und nukleare Zusammenarbeit, steht. Denn, wie gesagt, man bemüht sich durchaus, mit Verfahren der Geschichte beizukommen.
Zur Herstellung von Atombomben gibt es zwei Möglichkeiten. Das eine ist die Gewinnung von Plutonium als Spaltstoff, als Sprengmaterial für die Atombomben, oder aber hochangereichertes Uran. Plutonium wird aus Atomreaktoren gewonnen, die Anreicherung von Uran geht über die sogenannte Urananreicherung. Südafrika hat nachweislich den Weg über die Anreicherung gewählt. Und es gibt für diese Anreicherung zur Zeit drei Verfahren, die sich unter wirtschaftlich einigermaßen vertretbaren Umständen verwirklichen lassen. Das eine ist die Gasdiffusion, die bisher eigentlich stets angewandt wurde.
Die zweite ist die Ultrazentrifugierung, die gemeinsam von Großbritannien, den Niederlanden und der Bundesrepublik betrieben wird (das mag Ihnen einen Eindruck geben, wie schwer es ist, so etwas anzuwenden, so eine Urananreicherung zu betreiben). Und das dritte ist das sogenannte Trenndüsenverfahren, das in der Gesellschaft für Kernforschung in Karlsruhe entwickelt wurde und weltweit für die Bundesrepublik patentrechtlich geschützt ist. Dieses Verfahren darf also nirgends auf der Welt ohne Zustimmung der Bundesregierung angewendet werden. Und es lässt sich nachweisen, heute bereits aus Erklärungen von Beamten der Bundesregierung, z. B. des Afrikareferenten Müller, der anlässlich einer Tagung der Friedrich-Naumann-Stiftung vor vier Wochen gesagt hat, dieses Trenndüsenverfahren sei nach Südafrika gegangen und werde dort angewandt. Erklärungen der südafrikanischen Seite, des zuständigen Atombehörden-Chefs auf einer Konferenz in Paris, in der er das Verfahren beschrieb, machen eindeutig klar, dass Verfahrensschritte, die für die Gesellschaft für Kernforschung patentiert sind, von den Südafrikanern benutzt werden. Selbst die Angaben der Südafrikaner machen das klar.
Die Benutzung des Verfahrens ist nachweisbar, es existieren darüber veröffentlichte Schriftsätze, die der ANC, die Befreiungsbewegung Südafrikas veröffentlicht hat.
Dieses Verfahren ist unter aktiver Beteiligung und Mithilfe von Ministerien der Bundesregierung (Forschungs-und Wirtschaftsministerium) seit 1971 nach Südafrika gegeben worden.
Die von der Bundesregierung kontrollierte Firma STEAG in Essen hat gemeinsam mit der südafrikanischen Atomenergiebehörde, d.h. mit der südafrikanischen Regierung, die Pläne für die Errichtung einer Anlage mit einer Kapazität von 2.400 Tonnen entworfen.
Am 17. Oktober 1973 hat das Bundeskabinett über die Vergabe einer Lizenz dieses Verfahrens nach Südafrika beraten. Der Antrag der Firma STEAG auf die Vergabe der Lizenz war verkleidet in einem Antrag auf Gewährung eines Exportkredites und der staatlichen Hermes-Garantie für die Beteiligung der Firma STEAG an einer Urananreicherungsanlage Südafrika. Und es gab gegen diesen Vorschlag nur von zwei Mitgliedern des Bundeskabinetts, Eppler und Maihofer, Widerstand. Alle anderen – Sie können sich die Namen derer, die da beteiligt gewesen sind, mitteilen lassen – haben dafür gestimmt. Die Entscheidung darüber ist wegen der ungeheuren Brisanz dieses Vorgangs dann um eine Woche verschoben worden. Am nächsten Tag hat die STEAG den Antrag auf Gewährung dieses Exportkredites und der Staatsgarantien zurückgezogen. Es ist infolgedessen keine Entscheidung dafür oder dagegen gefallen. Sie wäre ‚dafür‘ ausgefallen. Sie ist aber nicht getroffen worden.
Und da zu dem damaligen Zeitpunkt die Gewährung von Lizenzen frei war, d. h. jede Firma in der Bundesrepublik ohne Genehmigung von Lizenzen über Waffenproduktion, über Atombombenproduktion, über Tod und Teufel nach Südafrika gehen konnte (dieses Gesetz ist erst am 17. März 1978 geändert worden), da also damals der Lizenztransfer frei war, hatte die Firma STEAG weiterhin freie Hand bei der Vergabe dieser Lizenzen.
Und die Vergabe dieser Lizenz war, ich zitiere Erhard Eppler ’notwendige Voraussetzung‘ für eine dann in Angriff genommene gemeinsame Studie der Firma STEAG und der südafrikanischen Atombehörde. D. h. also, STEAG und die Südafrikaner machten dann gemeinsam eine Studie, und das bestreitet heute keiner, das bestreitet auch die Bundesregierung nicht, dass sie diese Studie von 1973 bis 1976 machten. Und die ‚essential precondition‘, wie Eppler das gegenüber einem britischen Journalisten sagte, die entscheidende Voraussetzung für diese Studie war die Vergabe der Lizenz an Südafrika. Und das ist geschehen. Seit 1976 wird die Anlage gebaut.
Man hat damals in Südafrika erst in kleinem Maßstab eine labormäßige Anlage gebaut. Was die Größe der Anlage anbelangt, sind wir dabei auf Angaben der Südafrikaner angewiesen. Wenn diese Angaben zutreffen, dann ist Südafrika seit Ende 1977 in der Lage, alle anderthalb Jahre den Spaltstoff für eine Atombombe zu gewinnen. Es kann sein, dass das überhaupt nicht stimmt, es kann sein, dass es viel mehr ist, das wissen wir nicht.
Südafrika ist also möglicherweise bereits heute dabei, den Spaltstoff zu gewinnen. Aber seit 1976 ist Südafrika dabei, eine Anlage, in der im großen Stil Spaltstoff für Atombomben gewonnen wird, herzustellen. Wenn die südafrikanischen Angaben zutreffen (die schwanken, mal hieß es, sie würden sie gar nicht mehr bauen, das geht so hin und her) aber wenn die Berechnungen, die uns zur Verfügung stehen, stimmen, dann dürfte Südafrika ab 1981 in der Lage sein, jedes Jahr etwa den Spaltstoff für 20 Atombomben zu gewinnen. Vielleicht für zehn, aber man muss mit zwanzig rechnen.
So eine Anlage, in der das passiert, so eine Urananreicherungsanlage, besteht aus einer großen Zahl von hintereinander geschalteten, sogenannten Trennstufen. Jede Trennstufe sieht aus wie die andere. Man muss da etwa 200 hintereinander stellen. Es gibt Möglichkeiten, vielleicht auch bloß 60 zu benötigen, aber auf jeden Fall muss es eine größere Anzahl sein.
Jede einzelne Trennstufe besteht aus einem Elektromotor, der einen Verdichter treibt. Der Verdichter drückt das gasförmige Uranhexachlorid durch sogenannte Trennelemente. In diesen Trennelementen wird das Uran, das in der Natur in einem Gemisch aus nichtspaltbaren und spaltbaren Anteilen vorkommt, in diese Mischbestandteile gespalten, aufgeteilt.
Es wird der spaltbare Uran-235-Anteil angereichert. Das ist die Anreicherung. Und die geschieht in den Trennelementen. Es gehören dann noch dazu jede Menge Elektronik und spezielle, besonders dichte Absperrschieber und spezielle Messgeräte.
Um gleich wieder nach Bremen zu kommen: die Messgeräte für die Anlage kommen von der Firma VarianMat hier in Bremen. Nachdem das anfänglich alles bestritten wurde, haben wir gegen die Firma Strafantrag gestellt wegen illegalen Exports dieser in Frage kommenden Isotopenmessgeräte.
Sie können, auf S. 23 glaube ich, in der Broschüre der Bundesregierung lesen, dass die Bundesregierung sagt, die Spektrometer seien nicht im Sinne der Außenwirtschaftsverordnung für eine Anreicherungsanlage besonders konstruiert und damit frei für den Export.
Wenn Sie die Broschüre der Firma VarianMat hier in Bremen lesen, dann steht da drin, im Geschäftsprospekt 1978, letzte Seite, das Isotopenmessgerät 511 – und die Firma bezieht sich auch in ihrem Schreiben an den Staatsanwalt auf dieses Gerät, weil wir über den Export dieses Gerätes unterrichtet sind – da steht auf der letzten Seite tatsächlich, dass dieses Gerät MAT 511 speziell für den Betrieb von Anreicherungsanlagen konstruiert ist.
Im Sinne der Außenwirtschaftsverordnung ist damit der Export dieses Gerätes genehmigungspflichtig.
Ein anderer Typ von Messgerät, der ‚MAT 260‘ ist übrigens laut einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Bremen mit Genehmigung der Bundesregierung von Dezember 1977 nach Südafrika geliefert worden. Auch dieses Gerät ist ausweislich des Prospektes der Firma für nukleare Brennstoffanalysen ausgelegt. In der Broschüre ‚Zur Sache‘ behauptet die Bundesregierung, es brauche keine Genehmigung für dieses Gerät gegeben zu werden. Aber sie hat es heimlich am 7. Dezember 1977 getan, d.h. einen Monat nach Verhängung des Waffenembargos. Damit ist die Lieferung und die Genehmigung der Lieferung dieser Isotopenmessgeräte ein Bruch des Waffenembargos.
Eingeschaltet in die Lieferung dieses Geräts – damit Sie wissen, in welcher Gesellschaft Sie sind – ist übrigens auch die Firma Hewlett Packard, ein amerikanischer Computerhersteller. Die amerikanische Regierung hat dieser Firma ebenfalls die Genehmigung für die Zurverfügungstellung eines Computers, eines Tischrechners, für dieses Gerät gegeben, der ein integraler Teil dieses Isotopenmessgerätes ist. D. h. also eine Genehmigung auch für den Export über die Bundesrepublik und die Schweiz nach Südafrika, damit es nicht so auffällt. So beschrieben in der amerikanischen Ausfuhrgenehmigung.
D. h. also, dass sowohl die US-Regierung als auch die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt nachweisbar, das haben wir in Dokumenten, die Genehmigung von Teilen der Urananreicherungsanlage, d.h., für Atomwaffenbau in Südafrika gegeben haben.
Man muss sich dazu noch vergegenwärtigen, dass im August 1977 – also etwa vier Monate vorher – sowohl die sowjetische als auch die US-amerikanische Regierung durch Satelliten festgestellt haben, dass Südafrika in der Kalahari ein Atombombentestgelände errichtet hat. Südafrika hat sich also auf das Testen von Atombomben vorbereitet, und die US-Regierung, die das selbst gesehen hat, liefert an diese Regierung eine Anlage bzw. den Teil einer Anlage zur Herstellung von Atombomben.
Klarer Fall: Bruch des Atomwaffensperrvertrages, Bruch des Waffenembargos. Bruch von irgendwelchen Beziehungen, die man sich eigentlich so vorstellen kann.
Das war ein kleiner Ausflug zu dem, was für diese Anlage aus Bremen kommt.
Ich wiederhole noch mal, so eine Urananreicherungsanlage besteht aus etwa 60, 100, vielleicht auch 200 hintereinander gestellten Trennstufen. Die Motoren für diese Trennstufen, die das Ganze antreiben, werden geliefert – ich wiederhole: Wenn ich etwas falsch sage, kann ich dafür erheblich belangt werden – von der Firma Siemens. Die Firma Siemens liefert, ganz genau gesagt die elektronische Steuerung für diese Motoren, das sind sogenannte Thyristoren.
Diese Thyristoren kosten pro Stufe 1,2 Millionen DM. Die Verdichter, die auf der internationalen Kernenergieliste aufgeführt sind, die das Uranhexafluorid durch die Trennelemente durchdrücken, diese Verdichter werden geliefert von der Firma Gutehoffnungshütte/MAN in Oberhausen. Auch daran beteiligt ist die französische Firma Hispano Suiza und die schweizerische Firma Sulzer. Es existiert über die Lieferung dieser Kompressoren z. B. eine schriftliche Notiz der Firma STEAG, eines Mitarbeiters der Firma STEAG, des Herrn Wenzel , der schreibt, dass am 25. November 1975 eine Besprechung im Bundeswirtschaftsministerium stattfand. Zitat: ‚mit dem Ziel, die Verdichter von den Exportauflagen frei zu bekommen.‘
Ich muss jetzt sinngemäß weiter zitieren: Von GHH wurde so argumentiert, dass das im Grunde ganz normale Verdichter sind. Diese Verdichter sind – und das schreibt auch die Bundesregierung – Geräte, die spezielle Eigenschaften aufweisen. Sie stehen auf der internationalen Kernenergieliste als sogenannte ’sensitive Güter‘, deren Export der Genehmigung bedarf und die nicht unter den Bedingungen des Atomwaffensperrvertrages in ein Land, das den Vertrag nicht unterzeichnet hat und seine Anlage nicht internationaler Kontrolle unterstellt, geliefert werden dürfen.
Diese Verdichter werden geliefert, sie sind geliefert worden. Einer zum Beispiel – das wissen wir ganz genau – im Mai 1978. Mai 1978 war auch nach dem November 1977, d. h. also nach der Verhängung des Waffenembargos. Ein weiterer Bruch des Waffenembargos. Diese Verdichter drücken das Uranhexafluorid durch die Trennelemente. Sie kosten übrigens pro Stück 3,7 Millionen DM. Sie können sich vorstellen, das ist wenn die Anlage, wie angegeben, 200 Trennstufen besitzt, ein erheblicher Brocken, 740 Millionen DM Exportwert.
Die Trennelemente werden geliefert von der Firma Siemens. Die Trennelemente kosten – ganz, ganz feine Präzisionsarbeit – pro Stück 4,3 Millionen DM. Bei 200 Stufen 860 Millionen DM.
Es sind dann weiterhin, wie ich sagte, spezielle Elektronikmechanismen notwendig, die zum Teil von Siemens Karlsruhe geliefert werden, zum größten Teil aber von amerikanischen Herstellern, Foxboro z. B.
Es sind spezielle Kühlvorrichtungen notwendig, weil der Druck, mit dem das Uranhexafluorid da durchgedrückt wird, eben Wärme erzeugt. Diese Kühlvorrichtungen werden geliefert von der Firma Linde, die auch sonstige Gastrennungsgeräte für diese Anlage liefert, von der Firma GEA in Bochum und von der Firma Deutsche Babcock; jedenfalls haben die am Anfang für die kleine Anlage geliefert.
Weiterhin beteiligt am Bau dieser Anlage ist die Firma Lurgi, d. h. die Firma Metallgesellschaft in Frankfurt.
Diese Anlage wird also in Südafrika aufgebaut. Möglicherweise ist sie in einem sehr, sehr weitem Stadium und Südafrika wird – oder ist bereits dabei – in diesen Anlagen Spaltstoff für Atombomben gewinnen. Diese Lieferungen verstoßen, das möchte ich noch einmal betonen, gegen den Atomwaffensperrvertrag.
Wir haben z. B. im Zusammenhang mit den Lieferungen der Firma VarianMat dieses Isotopenmessgerätes, das von der Firma selbst als speziell für Urananreicherungsanlagen konstruiert ausgewiesen wird, bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien Strafantrag erstattet bzw. uns nach den Möglichkeiten eines Vorgehens, den Möglichkeiten einer Verhinderung derartiger Lieferungen mit einer möglichen Bestrafung erkundigt.
Uns wurde gesagt, dass für die Überwachung dieser Bestimmungen nur die betroffene Regierung allein verantwortlich ist.
D.h. also: Wenn die Bundesregierung nicht will, dann geht es so weiter. Und das bedeutet ja allerlei Verantwortung für uns. Wir können uns in diesem Fall noch nicht einmal auf die Hilfe einer internationalen Organisation, die für diese Sachen zuständig ist, verlassen, sondern müssen den Aufklärungskampf hier in der Bundesrepublik führen, damit diese Sachen publik und damit endlich verhindert werden.
Es kommen auf uns riesige Aufgaben zu. Ich finde es prima, dass hier in Bremen eine große Zahl von Zuhörern gekommen ist. Interessanterweise wird die Erörterung dieses Themas eben totgeschwiegen, wird, nachdem wir vier Jahre über dieses Thema geredet haben und es international bereits zu Nachfragen, zu Druck geführt hat, von der Bundesregierung in der Form von der erwähnten Broschüre reagiert.
Ich finde es erfreulich, dass hier in Bremen ein größerer Zuhörerkreis da ist, und ich hoffe, dass wir eine Möglichkeit haben, gegen dieses Sachen vorzugehen.«